Stillen und seine Tücken: stillfreundliche Zufütterungsmethoden

Stillen und seine Tücken: stillfreundliche Zufütterungsmethoden

Stillen und seine Tücken: stillfreundliche Zufütterungsmethoden

Ein Gast-Blogbeitrag von IBCLC Stillberaterin Lina einer unserer Expertinnen

 

Das Baby ist da, du und dein/e Partner/in seid überglücklich. Am Anfang läuft alles. Ihr kuschelt, ihr lernt euch kennen. Stillen klappt und alle sind zufrieden.

Die ersten Tage vergehen, die Hormone überfluten dich, du bist müde.

Stillprobleme im Frühwochenbett oder auch darüber hinaus haben nicht immer was mit Milchbildung oder Anlegeproblemen zu tun. Es ist eine hochsensible Zeit. Alles ist neu für dich, dein Baby, dein/e Partner/in oder deine weiteren Kinder und Stillen ist ein Lernprozess, der oft nicht ungestört verlaufen kann.

Bis sich eine Stillbeziehung richtig eingespielt hat, kann es 6 Wochen dauern. Findet euren Weg und hol dir rechtzeitig Hilfe, wenn du das Gefühl hast nicht weiter zu wissen, Schmerzen hast oder die Versorgung mit Muttermilch nicht gewährleistet ist. Für eine individuelle und selbstbestimmte Stillbeziehung kann gerade zu Beginn unser Still-Guide helfen.

 

Was aber ist, wenn Sätze oder Aussagen wie „Wir müssen jetzt zufüttern!“ vom Fachpersonal, die Eltern nicht hören möchten und die Stress und Druck auslösen, erklingen. Am besten steht er/sie schon mit der Flasche, gefüllt mit Formula, bereit.

Was mich als Stillberaterin, aber auch als Mutter und Freundin an dieser Situation ärgert: das Wort „wir“. Wer da zufüttert sind die Eltern und nicht die Fachkraft. Wer unter Umständen die Schuldgefühle hat und auch die Probleme danach, sind die Eltern. Wer sich die Arbeit „erleichtert“… die Fachkraft. In dieser Situation gibt es kein „wir“!

 

An diese Wege wird häufig gedacht wenn von „Zufüttern“ die Rede ist:

  • Die Flasche: Es gibt wirklich andere Wege zuzufüttern, die nichts mit einer Flasche zu tun haben.
  • Die Formula: Zufüttern heißt nicht Formula! Die Situation ist in den wenigsten Fällen so brenzlig, dass sofort die Druckbetankung stattfinden muss. Für Handentleerung oder zur Not pumpen sollte die Zeit da sein. Einmal gut angeleitet kann es die Frau dann meist alleine.

 

Doch Stillfreundliches Zufüttern kann bedeuten:

  • Per Sonde oder Fingerfeeder an der Brust
  • Löffelfütterung/“Tröpfeln“ aus einer Spritze
  • „Bechern“
  • Fingerfeeding

 

Ich weiß, dass die Zeit auf der Wochenbettstation oft knapp bemessen ist und garantiert auch nicht jede Pflegekraft/Hebamme so handelt. Ich möchte, dass Eltern wissen, dass es andere Möglichkeiten gibt, sollte ein Zufüttern medizinisch wirklich notwendig sein. Bitte verlangt immer eine genaue, medizinische Begründung für das Zufüttern und eine Einweisung in stillfreundliches Zufüttern, wenn Stillen euer Wunsch ist. Erfragt bitte die entsprechenden Maßnahmen zur Sicherung der Milchbildung.

Auf die oben genannten Möglichkeiten gehe ich auch bei Instagram näher darauf ein- schaut vorbei.

 

In diesem Beitrag dreht sich alles um Möglichkeiten Stillen zu können. Stillen sei schließlich das Natürlichste der Welt. Doch es gibt genügend Beweggründe wieso es nicht das Beste ist. Das Beste ist das, was sich für Mutter und Kind gut anfühlen.

 

"Mit den Brüsten können Sie eh nicht stillen".

  •  Mama mit Anlagestörung der Brust.


"Hätten Sie die OP mal später gemacht, Pech".

  • Mama nach Brustreduktion.


"Jetzt ist es zu spät".

  • Mama, die unfreiwillig frühzeitig abgestillt hat.


"Du warst doch nicht schwanger, wie willst du dann stillen?"

  • Mama, die ein Baby adoptiert hat.

Usw.

Was haben diese Frauen alle gemeinsam, außer, dass sie sich solche Kommentare zum möglichen Stillen anhören müssen? Sie möchten unter Umständen ihre Babys stillen, jedoch gibt es Gründe, die es verhindern oder erschweren.

Jede dieser Mütter hat aber auch ein Recht darauf, so gut (evidenzbasiert) wie möglich betreut und beraten zu werden, um ihrem Wunsch zu Stillen so gut es geht nachzukommen.

Eine Möglichkeit ist das Zufüttern bzw. Füttern direkt an der Brust. Dies kann mit Hilfe eines sogenannten "Lactation Aid" oder eines Brusternährungssets passieren. Diese Möglichkeit wird weiter unten genauer beschrieben.

Wusstest du, dass es diese Möglichkeiten zur Ernährung gibt? Leider sind diese Möglichkeiten nicht sehr bekannt und ich weiß aus meinen Erfahrungen heraus, dass viele wortwörtlich der „verlorenen“ Stillbeziehung nachtrauern.

Wenn eine Relaktation (die Wiederaufnahme des Stillens nach dem Abstillen) gewünscht ist oder es ein mögliches Stillhindernis bekannt ist, wende dich bitte an eine zertifizierte Stillberaterin und lass dich frühzeitig über die Möglichkeit beraten.

 

Wie zuvor schon erwähnt, denke ich nicht, dass Stillen dem „Ganz oder gar nicht Prinzip“ unterliegt. Für die meisten Frauen ist es das aber leider. Es kommt natürlich immer darauf an, aus welchen Gründen (frühzeitig) abgestillt wird bzw. wieso die Stillbeziehung/Milchbildung gar nicht oder nur teilweise gestartet ist.

Ist das Zufüttern (mit Formula noch in den ersten Tagen) notwendig? Ich kann es oft im Nachhinein schlecht beurteilen. In vielen Fällen fand keine Beurteilung der Stillsituation statt, um herauszufinden wo das Problem ist, bzw. wurde keine alternative Entleerung angeleitet. Dadurch wird das Zufüttern notwendig, da Alternativen fehlen und die Versorgung des Babys an erster Stelle steht! Viele fragen sich, ob Zufüttern immer das Ende einer Stillbeziehung ist. Nein, nicht wenn es begleitet wird. In vielen Fällen hätte es wahrscheinlich aber anders laufen können.

Für die Familien geht es dann Zuhause darum, das Anlegen zu verbessern, die Milchübertragung an der Brust zu erhöhen, die Milchbildung bei Bedarf überhaupt erst in Gang zu bekommen und das Zufüttern nach und nach zu reduzieren.
Das ist eine unglaublich stressig und emotional belastende Situationen. Hier ist dann häufig der Knackpunkt, an dem das Stillen frühzeitig beendet wird. Denn der Gedanke, dass bei so viel Formula und Zufüttern Stillen überhaupt noch möglich sei oder überhaupt noch Sinn habe, überwiegt meist.

Für manche Frauen ist es schon in der Schwangerschaft klar, dass ihr Kind Formula brauchen wird. Dies können anatomische Gründe bei der Frau oder auch schon bekannte Probleme sein, die beim Baby auftreten werden. Auch hier muss dies nicht bedeuten, dass eine Form des Stillens ausgeschlossen ist.
Wichtig ist, die Situation immer individuell zu betrachten. Jeder Tropfen Muttermilch ist bedeutsam für das Baby. Manchmal kann es Wochen dauern, bis das Zufüttern nicht mehr notwendig ist und manchmal wird es bis zum Ende der Stillbeziehung noch gebraucht. Jedes Anlegen, jeder Versuch verbinden Mutter und Kind und dies geht über die Ernährung hinaus.

 

Brusternährungsset

Wenn langfristig zugefüttert werden muss, lohnt es sich über die Anschaffung oder das selber bauen eines Brusternährungssets (BES/SNS oder Lact Aid) nachzudenken).

Die Idee dahinter ist, dass:

  • kein anders Hilfsmittel zum Füttern benötigt wird.
  • Milchbildung unterstützt werden kann.
  • Die Muttermilch Übertragung immer gegeben ist.
  • keine "fremden" Sauger in den Mund kommen, so dass die physiologische Entwicklung des Mundraums/Gesichts wie beim ausschließlich Stillen ist.
  • es keine "Saugverwirrung" gibt.
  • Stillen möglich ist, auch wenn keine oder sehr wenig Milch gebildet werden kann (Adoptivstillen/stillen nach Brust-OP).
  • die Rückführung zur Brust (von der Flasche) erleichtert werden kann.

 

Ein "Lactation Aid" ist ein selbst hergestelltes Hilfsmittel aus einem Behälter und einer Sonde oder eine Spritze mit Sonde, wodurch Muttermilch oder Formula beim Stillen dazu gegeben werden kann.

Ein Brusternährungsset besteht aus 1-2 dünnen Schläuchen/Sonden, die aus einem Behälter zur Brustwarze geführt werden. Dort kann dieser vor dem Anlegen angeklebt oder korrekt in den Mund mit eingeführt werden, wenn das Baby schon angelegt ist. Es gibt hier unterschiedliche Ventile/Schläuche, die die Fließgeschwindigkeit beeinflussen.
Es wird sozusagen ein weiterer Milchgang geschaffen. Je nach individueller Situation, kann z.B. erst gestillt werden, ohne das Milch aus dem BES oder direkt das BES "zugeschaltet" werden.

Fertig gibt es in Deutschland nur von einer Marke das BES zu kaufen. Es gibt jedoch auch Anleitungen, wie man aus Sonden und Gefäßen/Flaschen eins selber bauen kann. Die selbstgebauten sind manchmal ganz gut, wenn (noch) nicht so viel Geld für das BES ausgegeben werden soll oder um es einfach mal auszuprobieren. Manche nutzten es aber auch über viele Monate. Das vollständige Set kann gerade für unterwegs oder nachts manchmal praktischer sein.

Egal für welches man sich entscheidet, wie ausschließliches Stillen braucht es Übung! Sei bitte nicht frustriert, wenn es nicht bei den ersten Malen direkt klappt. Lass es dir richtig von einer Fachkraft zeigen. Zudem ist die beiliegende Anleitung vom fertigen BES meiner Meinung nach nicht ausreichend, um vernünftig damit zurecht zu kommen.

 

Die Vorteile dieser Methoden sind:

  • Bonding unterstützt (besonders bei Adoptionen)
  • Möglichkeit Milchbildung zu stimulieren
  • Wenn es möglich ist, zusätzliche Entleerung der Brust. -> Jeder Tropfen zählt
  • Physiologische Ausformung von Gaumen, Kiefer usw. beim Säugling, da keine künstlichen Sauger
  • Gewollte Keimübertragung an der Brust
  • Keine Saugverwirrung.

 

Doch neben all den Vorteilen des Brusternährungssets gibt es auch Vorurteile

"Du willst jetzt über Monate mit angeklebten Schläuchen an deinen Brüsten stillen?"
"Boah ist das ein Aufwand....alleine das sauber machen!"
"Stell dir vor du musst jede Nacht aufstehen und das fertig machen?!"
"Und damit willst du dann rausgehen und da auch stillen?"
"Das sieht doch komisch aus mit so einem Ding um den Hals"

Dies sind gesammelte Gedanken und Kommentare zum Brusternährungsset (BES). Die Liste könnte noch lange so weiter gehen. Dies Sprüche müssen sich Mütter anhören, die gerade für ihre Stillbeziehung kämpfen oder dies mit Hilfe des BES aufrecht erhalten können. Verrückt oder?! Die einen kritisieren, weil vermeintlich nicht genug dafür getan wurde, damit gestillt werden kann, die anderen kritisieren die Flasche oder würden diese bei jeder kleinsten Hürde jeder Mutter am liebsten in die Hand drücken.
Häufig wird beim BES der Aufwand "bemängelt". Das Saubermachen von Flaschen und/oder Pumpteilen ist gar nicht viel weniger aufwändig.

Für das BES muss man nachts aufstehen. Klar, es muss mit Muttermilch oder Formula gefüllt werden. Eine Flasche auch.

Wer nicht möchte, dass draußen das BES beim stillen sichtbar ist, kann durch verschiedene Tricks dies fast unsichtbar machen. Aber warum sollte man es verstecken müssen?

Gekaufte BES sind nicht ganz günstig und die Schläuche müssen regelmäßig ersetzt werden. Es gibt aber auch die Möglichkeit eins selber zu basteln und wenn die Milchbildung dadurch aufgebaut oder gehalten werden kann wird weniger/gar keine Formula benötigt, welche auch Geld kostet.

"Wie cool! Das es sowas gibt wusste ich gar nicht!"
"Hätte ich gewusst das es sowas gibt, hätte ich vielleicht auch stillen können."
"Dann braucht man gar keine Flasche."
"Ich kann man mich mehr auf mein Baby konzentrieren und weniger aufs Pumpen."
"Das ist wie eine Kette."

Viele der obersten Kommentare geschehen aus Unwissenheit und manche lassen sich von Dingen die ihnen fremd sind irritieren. Deswegen möchte ich, dass diese Art des Stillens und was das BES kann bekannter wird. Damit Mamas nur noch Kommentar wie die letzten hören und sagen.

 

Stillhut

Sie können ein Fluch und ein Segen zugleich sein...Stillhüte.
Sie werden leider häufig wie Bonbons schon auf der Wochenbettstation verteilt, ohne dass sie wirklich benötigt werden. Sie können dadurch erheblich Probleme im Aufbau der Milchbildung und der Stillbeziehung bereiten. Sie sind dann wie ein Pflaster, das über ein Problem geklebt wird, kurzzeitig hilft und dann nur unter "Schmerzen" wieder "abgezogen" werden kann.
In wenigen Fällen werden sie wirklich benötigt und werden damit für ihren eigentlich Zweck eingesetzt.

Um von Stillhüten wieder zu entwöhnen, muss zunächst immer das ursprüngliche Problem beseitigt werden.

Es gibt somit keine Pauschallösung für das Entwöhnen. Jedoch kann folgendes helfen:

  • Immer wieder ohne Hut anlegen.
  • Es darf keine Frustration beim Baby entstehen. Vorher den Hut wieder aufsetzen.
  • Im Schlaf ohne Hut anbieten.
  • Erst mit Hut und wenn die Milch "fließt" oder z.B. beim Seitenwechsel erstmal ohne anlegen.
  • Stillsituation verändern.
    In der Badewanne.
    Andere Haltung.
    Im Gehen.
  • so früh wie möglich.
    Vor ca. der 12. Lebenswoche, da dann die Säuglingsreflexe und -reaktionen noch aktiv sind und dies das "Umgewöhnen" einfacher machen kann.
  • Zeit nehmen.
    Es kann dauern, nehmt euch Zeit und feiert jeden geklappten, wenn auch nur kurzen Stillmoment ohne Hut.
    Wenn es mal nicht klappt, bleibt dabei. Nächstes Mal wird's wieder besser

 

Viele Wege führen zum Stillen. Wendet euch bitte bei Schwierigkeiten an Fachpersonal und sucht euch rechtzeitig Hilfe oder stöbert bei ersten Fragen durch unseren Still-Guide.