Der offene Biss
Was passiert wenn dauerhaft durch den Mund geatmet wird und dann auch noch ungünstige Angewohnheiten während des Kieferwachstums, wie z.B. Daumenlutschen oder ein langer Gebrauch eines Schnullers, folgen?
Dann kann es dazu führen, dass ein offener Biss entsteht. Dies ist der Fall, wenn die Backenzähne (Ober- und Unterkiefer) aufeinander beißen und zwischen den oberen und unteren Frontzähnen eine sichtbare Lücke entsteht.
(Milchzahn-) Karies
Damit unsere Zähne gesund bleiben, werden sie von dem Speichel geschützt, der einen PH-Wert von ca. 7 hat (also neutral). Ist dieser sauer, beginnt ein Zahnschmelzabbau (ab PH ≈ 5,5) und Karies entsteht, was bei der Mundatmung passieren kann! Kinder können dadurch vermehrt Milchzahnkaries bekommen und eines ist klar: mit Zahnlücken schluckt und spricht es sich deutlich schwieriger!
Eine passende Studie dazu gibt’s hier
Starkes Speicheln
Wir alle haben und brauchen Speichel im Mund: zum Schlucken, dass das Essen ‚flutscht‘ oder auch als Schutz unserer Zähne! Damit dieser im Mund bleibt, benötigt er quasi eine Barriere, die Lippen. Wenn der Mund offen ist, merken wir zwar, dass sich Speichel am Mundboden sammelt, doch bei einer dauerhaften Mundatmung funktioniert dieses Spüren (Sensorik) oft nicht schnell genug und der Speichel fließt und fließt. Es kann aber auch das Gegenteil auftreten: ein ausgetrockneter Mund und rissige Lippen – warum bei jmd. das eine und nicht das andere auftritt, ist nicht klar. Beides ist jedoch auffällig!
Häufigere Erkältungen
Wenn im Winter Viren und Bakterien ihre Hochsaison haben, dann erwischt es uns alle mal – besonders häufig die Kindergarten-Kinder. Mit viel Tee, viel Schlaf und Ruhe ist bestenfalls auch eine größere Erkältung weg, doch wenn der Mund offen steht, dann heißt es „Herein spaziert!“ zu den Bösewichten. Für die Abwehr ist eigentlich die Nase zuständig, mit ihren vielen Windungen und Haaren, doch der Mund eher weniger, was heißt, dass die nächste Erkältung deutlich schneller anrückt und der Körper mehr zu kämpfen hat!
Stark vergrößerte Mandeln
Normalerweise ist die Nase für das Reinigen der Luft zuständig. Wenn jedoch oft durch den Mund geatmet wird, dringen die Viren und Bakterien in den Mund ein und werden dann durch die Gaumenmandeln (rechts und links) abgefangen. Dann heißt es für die Mandeln: Ran an die Arbeit. Die Mandeln schwellen an und sind dadurch unsere Alarm-Anlage im Mund (Freunde, nicht Feinde!) Ärzt*innen sehen manchmal die Mandeln als die ‚Schuldigen‘ für Vieles und die Indikation lautet meist: nach 3x Mandelentzündungen sollten diese raus! (dann wandern die Bakterien einfach einen Stock tiefer!)
Zahnfehlstellungen
Bei Kleinkindern denken vielleicht die meisten noch nicht an Zahnspange, sollten wir aber, denn der Kiefer wird maßgeblich durch die Zunge geformt: nur knapp 20% der Kieferfehlstellungen sind vererbt! (Frankfurter Zahnklinik, 1989; zitiert im Buch: Schopf, Peter, Curriculum Kieferorthopädie, Band I, 2000, S.71-89) Wenn der Mund zu ist und durch die Nase geatmet wird, liegt die Zunge im Mund und füllt den gesamten Raum aus. Die Lippen sind geschlossen und es ist ein Gleichgewicht vorhanden – bei geöffnetem Mund nicht mehr, denn die Lippen haben keinen Kontakt. Die Zunge liegt automatisch schlaff am Mundboden – ist dann meist zu sehen – und kann so nicht mehr den Oberkiefer ausformen, dass die späteren Zähne Platz haben!
"Der Zahnarzt hat gesagt ich schlucke falsch." Sätze wie diese lassen Fragen zu oder? Das Schluckmuster ist falsch oder abweichend vom sogenannten physiologischen Schluckmuster? Das bedeutet, dass die Zunge beim Schlucken gegen oder zwischen die Zähne drückt. Wir schlucken bis zu 2000-mal am Tag, das ist eine ganze Menge, dabei wird Kraft ausgeübt, um die Nahrung oder auch nur den Speichel in den Rachen zu transportieren. In der Regel wird die Zunge nur gegen den Gaumen gedrückt, wird jetzt die Zunge aber gegen oder zwischen die Zähne gedrückt, besteht die Gefahr dass die Zähne schief werden oder sich sogar der Kiefer verformt.
Konzentrations- und Schlafprobleme
Wusstet ihr, dass die Nase nicht nur die Luft filtert, sondern auch die eingeatmete Luft in Stickstoffmonoxid umwandelt? Je mehr davon vorhanden ist, umso höher ist die Sauerstoffsättigung im Blut(!!!) und somit auch im Gehirn. Bei der Nasenatmung ist die 10%-15%höher als bei der Mundatmung, sodass bei einer Mundatmung die Sauerstoffsättigung im Blut deutlich geringer ist und es so zu Konzentrations- und Schlafproblemen führen kann! (Mundatmer haben daher oft einen müden und schlappen Gesichtsausdruck.) Die passende Studie dazu gibt’s hier
Wie merke ich denn nun, ob ich durch den Mund oder die Nase atme?
Das ist für die meisten Menschen gar nicht so einfach zu bemerken. Vor allem nicht während des Schlafens. Es gibt Faktoren, die du dich mal fragen könntest: Schnarchst du? Dein Mund ist ständig trocken? Du bist häufig müde? Das können Anzeichen dafür sein, dass du mit offenem Mund schläfst. Gerade Erwachsene klagen bei dauerhafter Mundatmung über Hirnnebel, Brainfog. Es ist wie ein Nebel im Gehirn, der dir die Konzentration raubt und du nicht mehr richtig denken kannst. Du vergisst ständig die einfachsten Sachen und verlierst auch den Blick für das Wesentliche. Unser Schlaf ist wichtig, dient der Erholung und Verarbeitung von Erlebtem.
Wer beschäftigt sich alles mit dem Mund?
Hals-Nasen-Ohren-Ärzte*innen behandeln die HNO-Erkrankungen der Kinder wie Erkältungen, Mittelohrentzündungen, Paukenergüsse, etc. und können frühzeitig eine Mundatmung erkennen. Je nach Fall entfernen oder verkleinern sie auch die Rachen- und/oder die Gaumenmandeln, was jedoch gutüberlegt sein sollte.
Logopäden*innen arbeiten funktionell, zum Beispiel bei Sprech- und Schluckstörung. Sie entdecken oft die Mundatmung zuerst und behandeln diese auch funktionell, das heißt mit der Funktion selbst: das Schlucken wird beim Schlucken trainiert. Eine frühe Abklärung von Auffälligkeiten ist parallel zum Arztbesuch sehr ratsam, denn dort werden einzelne Funktionen, wie die Atmung, das Schlucken oder das Sprechen, nochmal genauer angeschaut. Für die Logopädie benötigt ihr ein Rezept von eurem*r Kinderarzt*ärztin oder Zahnarzt*ärztin.
Zahnärzte*innen können die Mundatmung, Karies, ein unphysiologisches Schluckmuster oder eine falsche Zahnputztechnik frühzeitig entdecken und ausreichend aufklären. Sie kommen oft in den Kindergarten, um dort bereits erste Anzeichen zu sehen und dann ggf. an den*die Logopäden*in oder an eine*n Kollegen*in zu verweisen.
Kieferorthopäden*innen zaubern schöne, gerade Zähne…das ist zumindest das, was im Gedächtnis oft hängenbleibt. Die Hauptarbeit liegt jedoch in der frühen Erkennung und Behandlung von Kiefer- und Zahnfehlstellungen, wie bei einem Kreuzbiss oder einem offenen Biss. Sie können bereits früh anhand der Zahnstellung ungesunde Angewohnheiten, wie die Mundatmung, das Daumenlutschen oder häufiges Benutzen des Schnullers erkennen.
Kinderärzte*innen untersuchen die Kinder regelmäßig bei den Untersuchungen. Sie sind meist unter den Mundexperten*innen die Ersten, die die Kinder genauer beobachten und somit erste Auffälligkeiten feststellen können. In der U7a kurz vor Ende des 3.Lebensjahres wird die Sprache und auch die Kieferentwicklung untersucht. Hier sollten eine dauerhafte Mundatmung oder häufige Infekte bereits erkannt werden und ggfs. an den*die Logopäden*in oder an eine*n Kollegen*in verwiesen werden.
Kinderosteopathen*innen beschäftigen sich ebenso mit dem Mund – ganzheitlich und sanft. Sie gehen immer von der natürlichen Entwicklung aus und haben wie die Logopäden*innen das Ziel, das System in ein Gleichgewicht zubringen. Sie behandeln unter anderem wiederkehrende Nasennebenhöhlen-und Mittelohrentzündungen, was die Voraussetzung für die Nasenatmung ist.