Die kranken Kinderzähne: Zahn - und Kieferfehlstellungen

Die kranken Kinderzähne: Zahn - und Kieferfehlstellungen

Die Zähne sind krumm und schief? Zahn- und Kieferfehlstellungen kommen immer häufiger vor. Doch wieso?

 

Liebe Eltern,

47,6% der Mädchen und 36,1% der Jungen im Alter zwischen 11 und 13 Jahren sind regelmäßig in kieferorthopädischer Behandlung.

Seit 2003 sind die Zahlen der kieferorthopädischen Behandlung in allen Altersklassen signifikant gestiegen.

Die Zahlen stammen aus der Langzeitstudie KiGGS des Robert-Koch-Institutes, die seit 2003 Daten zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen in Deutschland erhebt.

Im Journal of Health wurden die letzten und damit aktuellsten Ergebnisse aus dem Überprüfungszeitraum 2014 bis 2017 veröffentlicht.

 

Wann ist eine kieferorthopädische Behandlung notwendig?

Vor allem bei funktionalen Schwierigkeiten wie Probleme mit dem Kauen, dem Kiefergelenk und dem Mundschluss ist eine Behandlung dringend erforderlich.

Oft spielt auch die Ästhetik von Zähnen und Kiefer eine Rolle, denn das Aussehen kann durch diese deutlich verändert werden. Allerdings beteiligen sich die Krankenkassen nur an den Kosten, wenn funktionale Schwierigkeiten vorhanden sind.

 

Welche Ursachen für Zahn - und Kieferfehlstellungen gibt es?

Als Ursachen kommen meist genetische und funktionelle Faktoren in Frage.

Genetische Ursachen sind zum Beispiel Trisomie 13, 18 oder 21, das Apert-Syndrom, das Crouzon-Syndrom, das Scheuthauer-Marie-Sainton-Syndrom, Einzelzahnabweichungen wie die Nicht-Anlage von Zähnen oder überzählige Zähne, keine Anlage der Zahnwurzeln, Fehlentwicklungen des Kiefers, Lippen-Kiefer-Gaumensegel-Spalten, usw.

Funktionelle Ursachen können Zähneknirschen, Daumenlutschen, Schnullergebrauch, myofunktionelle Störungen, falsches Nahrungsangebot (fehlende Vitamine durch einseitige Ernährung und/oder fehlende feste Kost, zu viel Zucker, zu langer Milchflaschengebrauch, usw.), Habits (wie z.B. Nägelkauen) sein.

Außerdem können Unfälle und Verletzungen sowie Erkrankungen des (Kiefer-)Knochens zum Zahnausfall oder Kieferfehlstellungen führen.

 

Welche Folgen können bei Nicht-Behandlung entstehen?

  • Okklusionsstörungen (Probleme mit dem Aufbiss von Ober- und Unterkiefer, Kaustörungen, erschwertes Abbeißen)
  • Kiefergelenksprobleme
  • Karies und Zahnfleischentzündungen (z.B. durch zu eng stehende Zähne)
  • myofunktionelle Störungen (fehlender/inkompletter Lippenschluss, Mundatmung, usw.)
  • Durchbruchstörungen von bleibenden Zähnen
  • hoher, enger Gaumen
  • Schnarchen
  • vergrößerte Rachenmandel
  • erhöhte Anfälligkeit für Infekte (v.a. durch die Mundatmung)
  • Muskelverspannungen und Kopfschmerzen
  • Magen-Darm-Probleme (durch unzureichendes Zerkleinern und Einspeicheln der Nahrung)
  • Artikulationsstörungen

 

Welche Formen der Zahn- und Kieferfehlstellungen gibt es?

  • Zahnengstand: der Kiefer ist für die Zähne zu klein oder die Zähne sind zu groß
  • Überbiss (Prognathie): die oberen Schneidezähne ragen deutlich über die unteren hinaus, sodass die Frontzahnstufe vergrößert ist
  • Unterbiss (Progenie): die unteren Schneidezähne ragen über die oberen hinaus
  • Tiefbiss: die oberen Frontzähne bedecken die unteren, evtl. beißen die unteren Schneidezähne in den Gaumen
  • (lutsch)offener Biss: obere und untere Frontzähne haben keinen Kontakt (kann auch seitlich sein, je nachdem, wo Schnuller oder Daumen zwischen den Zahnreihen platziert wird)
  • Kreuzbiss: die unteren Backenzähne ragen seitlich über die oberen Backenzähne hinaus
  • Diastema: Lücke zwischen den oberen (manchmal auch unteren) mittleren Schneidezähnen (durch zu tiefes Lippenbändchen)
  • verschobene Mittellinie
  • verlagerte Zähne: die Zähne brechen an der falschen Stelle durch

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Der Behandlungsbeginn richtet sich nach der Form der Zahn- und/oder Kieferfehlstellung.

Bei Lippen-Kiefer-Gaumensegel-Spalten ist ein Beginn bereits in den ersten Lebenstagen notwendig. Bei zum Beispiel Trisomie 21 kann frühzeitig mit einer Stimulationsplatte gearbeitet werden.

Die klassische Zeit für eine Zahnspangenbehandlung mit einer losen oder festen Spange ist etwa ab dem 9. Lebensjahr, wenn die bleibenden Zähne durchbrechen oder sie bereits durchgebrochen sind.

Bei Kieferfehlstellungen kann es neben der Zahnspangenbehandlung manchmal notwendig sein, dass im Anschluss eine Operation im Bereich der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie erforderlich ist. Dies ist jedoch (wie bei allem) im Einzelfall zu entscheiden.

Wir wünschen uns vor allem einen interdisziplinären Ansatz!

Vor allem, wenn die Ursache eine myofunktionelle Störung ist, sollten auch Logopäd*innen und Physiotherapeut*innen mit ins Boot geholt werden. Aber auch bei einem lutschoffenen Biss oder Kreuzbiss können Logopäd*innen unterstützen.

Nur die Zähne gerade zu rücken reicht nämlich oft langfristig nicht aus! Die Zahnspange schiebt die Zähne zwar an den richtigen Platz oder weitet den Kiefer, aber wenn z.B. die Zungenruhelage nicht korrekt eingehalten werden kann oder beim Schlucken ein Zungenvorstoß bestehen bleibt, werden sich die Zähne mit der Zeit wieder verschieben.

Bei Kiefergelenkproblemen sollte immer auch ein*e Physiotherapeut*in hinzugezogen werden.

Manche Okklusionsstörungen entstehen durch ein Muskelungleichgewicht, sodass auch hier die logopädische und/oder physiotherapeutische Behandlung Sinn ergeben.

Wichtig ist in allen Fällen ein individueller Behandlungsplan.

 

Ein besonderes Augenmerk möchten wir noch auf den "lutschoffenen Biss" legen. Dieser entsteht durch den Gebrauch von Daumen oder Schnuller.

Werden diese frühzeitig abgewöhnt, ist es möglich, dass sich die Zähne von selbst wieder regulieren oder die Zahnspangenbehandlung weniger invasiv ausfällt.

Informationen, Tipps und Hinweise zum Abgewöhnen des Schnullers findet ihr in unserem Schnuller-Guide.

 

 

Quellen:

Bild:

www.drlasinger.at

Text:

"Myofunktionelle Therapie KOMPAKT 1" - Mathilde Furtenbach

"Kieferorthopädie 1" - Peter Diedrich

"Das kieferorthopädische Risikokind" - Rosemarie Grabowski, Rolf Hinz

NetDoktor

dentolo.de

kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

zahn.de

KiGGS-Studie des Robert-Koch-Institutes